Bild: Emily Dickinson, Daguerreotypie von William C. North, um 1846/47, (wikicommons.org)
Emily Dickinson – We learn in Retreading
We learn in Retreading
How vast an one
Was recenty among us –
A Perished Sun
Endear in the departure
How doubly more
Than all the Golden presences
It was – before –
um 1866
Übertragung
Wir verstehen im Verschwinden
Ihre Größe jenes Eine
Noch vor kurzem unter uns –
Untergegangene Sonne
Wertvoll geworden in ihrem Weggang
Wie doppelt mehr
Als all die goldene Gegenwart
Es war – vorher –
Anmerkung: Dies ist der Versuch einer lyrischen Nachempfindung, keine schlichte Übersetzung.
6 Kommentare:
Guten Morgen Paul!
Eine schöne Übertragung von dir!
Das erinnert mich an den kleinen Prinzen und seine Rose.
Mit meinen Worten:
Weil der Wert dessen was wir haben, uns oft erst bewusst wird, wenn es fort ist.
Eine bekannte Theorie vielleicht, doch sicher immer wieder aktuell auf vielen Ebenen.
..wünscht dir Monika ein schönes Wochenende
Liebe Monika,
ich danke Dir. Es scheint mir also gelungen zu sein, das rüber zubringen, was das Gedicht von Emily aussagt.
Liebe Grüße
Schön, diese Zeilen von Mrs. Dickinson und deine Übertragung. Interessant, wie du das Gewicht hin zu dem Verschwindenden verschiebst. So habe ich die Zeilen, die ich noch nicht kannte, anfangs nicht gelesen. Ich sah mehr, daß sie den Prozeß des Zurücknehmen und Fortgehens als solchen ansprach, gleich, was dort schwindet.
Etwa so:
Wir lernen am Schwinden
wie groß etwas
das eben noch verweilte -
Licht, das verblasst
Lieben an jedem Abschied,
wie doppelt mehr
als alle goldene Gegenwart
es war - zuvor -
Wobei das 'to endear' wirklich schwer knapp und umfassend wiederzugeben ist, dein 'wertvoll geworden' ist eine sehr gute Wahl, weil es das 'dear' aufnimmt. Für mich liegt im 'endear in the departure' ein fast willentliches Hineinlegen von Bedeutung - vielleicht, daß wir uns Abschiede dadurch erträglicher zu gestalten suchen, daß wir ihnen wehmütig rückwirkend verdoppelnde Kraft beimessen. Und beides, das Lernen und das Hineinlegen (mit 'Lieben' von mir nicht ganz richtig übersetzt, aber anderes fällt mir nicht ein) sind Trost und Schmerz gleichzeitig.
Lieben Dank
Susanne
Liebe Susanne,
ganz herzlichen Dank. Ich wage nicht zu sagen, welche unserer beiden Übertragungen der Intention von Emily Dickinson besser gerecht wird. Vielleicht beide.
Seit vielen Monaten "kämpfe" ich mit der Übertragung ihrer Gedicht, und diese Übertragung, die ich veröffentlicht habe, scheint mir besonders gelungen.
Aber alle Lyrikübersetzungen sind immer irgendwo fragwürdig.
Liebe Grüße
Ich glaube gar nicht, daß eine 'Übersetzung' jemals fertig ist, wie auch das zu Übersetzende es niemals war. Gerade Mrs. Dickinson steckt, was die 'Dichte' ihrer Gedichte angeht, für mein Gefühl manche - oder fast alle - Turbo-Dichtung locker in die Tasche. So daß du sie immer neu lesen kannst. Das ist nicht fragwürdig, das ist spannend. Oder, wie sie selbst es sagt: I dwell in possibility.
Kleiner Zusatz: Die Fotografie (das richtige Wort ist mir zu kompliziert zu schreiben) von ihr hat mir schon immer gefallen. Sie sieht darauf aus wie die kleine, besserwisserische Kratzbürste, als die ich sie mir gerne vorstelle. Wie sollte irgend etwas ihr je gerecht werden können?
Auch ich kann mir Emily nicht als das schüchterne Mauerblümchen vorstellen, wie das häufig geschrieben wirden ist.
Eine weitere Fotographie von ihr habe ich auf meiner homepage veröffentlicht:
http://www.paul-spinger.de/pw/lyric/poem.php?C=1&S=15&P=3
Liebe Grüße
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