Tagebuch - nicht nur meiner literarischen Arbeiten

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Montag, 31. März 2008

Die Leiche loswerden


Bild: Frans Hals, Junger Mann mit Totenkopf (Vanitas-Darstellung),
1626 bis 1628, (zeno.org)

Die Leiche loswerden

Wir fütterten die Leiche mit Absinth,
Und hofften, dass sie ´s noch ne Weile macht.
Die meisten sagten zu uns nur „Ihr spinnt“,
Und wir? – Wir haben einfach nur gelacht.

Bis wir die Leiche losgeworden sind,
Hat eine schrecklich lange Zeit gedauert:
Sie stank nach altem Tabak und Absinth,
Obwohl sie tot war, hat sie uns belauert.

Jetzt lauert sie von weitem, guckt uns zu.
Zu unserm Tun hat sie ihr Totengrinsen aufgesetzt.
Das stört uns nicht, wir lassen sie in Ruh,
Doch weil sie dort ist, sind wir irgendwie verletzt.

Vorstadtzug S5


Bild: Egon Schiele, Vorstadt, 1914, (zeno.org)

Vorstadtzug S5

Es beißt der alte Zeitenzahn
Schon Ziegel vom Gefüge.
Und weil das niemand ändern kann,
Wär` Zukunft eine Lüge.

Der Bummelzug schleicht grad vorbei;
Es rostet auch die Schiene,
Und manche Neuheit meint, sie sei
Schon selbst eine Ruine.

Sonntag, 30. März 2008

Innerer Frühling


Bild: Jean-Francois Millet, Frühling (Daphnis und Cloe),
1865, (wikicommons.org)_

Innerer Frühling

Wie das Herz sich leicht verwandelt,
Durch die milde Frühlingsluft!
Wie viel leichter man jetzt handelt,
Wenn es uns nach draußen ruft!

Immer scheint uns Winter schwer,
Auch wenn er recht milde war,
Und er ist uns hinterher
Nur noch dunkel vorstellbar.

Doch die Zeit der Kerzenlichter,
Sie kommt wieder, ganz bestimmt,
Jene helleren Gesichter,
Deren Glanz dir keiner nimmt.

Sommerzeit!

Bild: zeno.org
Sommerzeit!

Basta! Jetzt ist Sommerzeit!
Wehe, wenn es noch mal schneit!
Dann schließ ich mich ein.
Wenn sie uns die Stunde stehlen,
Und uns „Sommerzeit“ befehlen,
Soll ´s auch Sommer sein.

Im Mondlicht


Bild: Vincent Willem van Gogh, Spaziergang im Mondlicht,
1890, (zeno.org)

Im Mondlicht

Ein Stern hat keine Absicht,
Der Mond macht keinen Sinn;
Und doch weiß ich im Mondlicht
Erst, dass ich wirklich bin.

Wir werfen keinen Schatten
Auf unsern Lieblingsbaum,
Und nur wenn wir ermatten,
Dann endet dieser Traum.

Samstag, 29. März 2008

Auch ich


Bild: Hans am Ende, Frühling in Worpswede, 1900,
(wikicommons.org)

Auch ich

Komm mit zu der weißen Birke,
Die im hellen Grün dort blinkt,
Dass der Frühling auf uns wirke! -
Ach, ich weiß, ´s ist nur Instinkt.

Warum sollte mich das stören,
Wenn ich um die Dinge weiß?
Gerne lass ich mich betören,
Und lauf mit im Jahreskreis.

Mit wem im Bett?


Bild: Józef Rippl-Rónai, Frau im Bett, 1891, (zeno.org)

Mit wem im Bett?

Du legst dich abends neben deine Sorgen,
Und denkst sie werden etwas Ruhe geben,
Erwachst gerädert und genervt am Morgen,
Denn deine Sorgen führen stur ihr Eigenleben.

Du schläfst mit jemand, den du gar nicht magst?
Das ist bescheuert, und bestimmt nicht klug.
Und wenn du neben deinen Sorgen lagst,
Dann ist das Ganze auch noch Selbstbetrug.

Der Schuh


Bild: Edgar Germain Hilaire Degas,
Tänzerin in ihren Schuh schlüpfend, um 1874, (zeno.org)

Der Schuh

Den Eindruck hab ich, dass dich ´s drückt,
Im Schuh, das kleine Steinlein.
Mit Schotter war der Weg bestückt,
Du wolltest nicht allein sein.

Zieh ihn halt aus, den linken Schuh,
Und nachher auch den rechten.
Mach ´s dir bequem, und hör mir zu.
Vergiss den Weg, den schlechten!

Freitag, 28. März 2008

Märchenzeit


Bild: Franz von Bayros, Die Kuchen,
 Märchenbuchillustration, 1909, (zeno.org)

Märchenzeit

Bei unsern menschlichen Geschäften
Sind Märchenstunden oft sehr selten;
Und bei den meist begrenzten Kräften
Ist auch kaum Platz für Märchenwelten.

Doch einfach so zu existieren,
Ohne die Welt der Phantasie,
Das hieße jeden Sinn verlieren,
Und wäre gar nichts, irgendwie.

Donnerstag, 27. März 2008

Die Wünschelrute


Bild: Holzschnitt aus: "De re metallica libri XII",
von Georg Agricola, 1556, (wikicommons.org)

Die Wünschelrute


Geh mit deiner Wünschelrute,
Nicht nur auf der alten Route,
Das kann nicht viel bringen.
Nutze lieber deinen Geist,
Wenn du deine Wünsche weißt,
Dann wird ´s leicht gelingen.

Ruten gehen hilft nicht viel,
Wenn man nicht weiß, was man will.
Bild: Vincent Willem van Gogh, Getreidefeld mit Mohnblumen und Lerche, (zeno.org)
Die Lerche

Er kann alltäglich
Oder aber göttlich sein,
Der Vogelgesang.

Dein Herz schlägt immer,
Solange du Atem hast.
Mal schnell, mal leise.

Mittwoch, 26. März 2008

Hilferuf!

Schnee weg, Mensch! ´s ist Ende März,
Jetzt verbrennt die Rodelbretter!
Denkt doch endlich sommerwärts,
Nicht mehr dieses Schmuddelwetter!

Denn wenn ihr nicht SOMMER denkt,
Wird er uns auch nicht geschenkt!


Anpassung


Bild: Georg Friedrich Kersting, Vor dem Spiegel,
1827, (zeno.org)

Anpassung

Pass gut auf,
Pass dazu,
Aber passe dich nicht an.
Sei gut drauf,
Doch bleib du,
Dass man dich noch finden kann.

Spiegel, Spiegel an der Wand,
Trag ihn nicht mit dir herum.
Lass ihn da, wo er dich fand,
Trägst du ihn, dann wird er stumm.

Dienstag, 25. März 2008

Ich Zwiebel


Bild: Jacob Flegel, Stillleben mit Zwiebel und Käse.
1. Hälfte des 17. Jahrhunderts, (zeno.org)

Ich Zwiebel

Ich Zwiebel bin ich sehr mächtig,
Geheult wird Schicht um Schicht,
Bin von Geschmack ganz trächtig,
Doch schön, das bin ich nicht.

Ich komme aus der Erde,
Dort sammle ich die Kraft;
Dass Käse schmackhaft werde,
Das hab ich meist geschafft.

Die Nachbarin bringt Torte

zeno.org
Die Nachbarin bringt Torte

Sie brachte keinen Gugelhupf,
Zur mir in meinen Unterschlupf,
Nein, es gab eine Torte,
Mit Sahnehäubchen oben drauf;
Sie brachte sie im Dauerlauf,
Und fand dann keine Worte.

Was brauch ich Worte zum Kaffee,
Wenn ich die Sahnetorte seh?
Die wird ganz herrlich schmecken!
Und wenn sie ihre Schnauze hält,
Dann ist in Ordnung meine Welt:
Ich muss mich nicht verstecken!

Montag, 24. März 2008

Tatort Leben


Bild: Titian Vercelli, Allegorie der Zeit, um 1512, (zeno.org)

Tatort Leben

Du suchst dir nur das Gute aus,
Das schlechte lässt du liegen,
Machst dir noch einen Spaß daraus,
Es dir zu recht zu biegen.

Auch willst du, dass das Gute siegt,
So wie ´s die meisten wollen,
Und weißt nicht wo der Fehler liegt,
Wenn wir gerecht sein sollen.

Am Ende stehst du hilflos da,
Und kannst den Fall nicht lösen,
Weil es ganz anders dann geschah,
Im Guten - und im Bösen.

Sonntag, 23. März 2008

Zeit der Vögel


Bild: Kuniyoshi Utagawa, Der Falke, 1. Hälfte des 19. Jh., zeno.org

Zeit der Vögel

Ein Frühling wie Herbst.
Schnee auf den Ackerkrumen.
Sieh dort die Vögel.

Plätze sind wenig.
Früher gab es den Galgen,
Heute nur die Stadt.

Die Raben zu Hauf
Auf der Jagd nach der Beute.
Einsam der Falke.

Die weiße Eule
Ist nicht so leicht zu sehen,
Sie wartet auf Nacht.



Die Bordsteinschwalbe


Bild: Jan Vermeer van Delft, Bei der Kupplerin, 1656, Zeno.org

Die Bordsteinschwalbe

Bei ihrem Anblick
Errötet schon die Ampel.
Alles bleibt stehen.

So wie sie schön ist,
Ist sie auch ohne Skrupel.
Gar nichts kümmert sie.



Ein Dialog


Bild: Vincent Willem van Gogh, Der Baum,
(Japonaiserie, nach Hiroshige), 1886, (zeno.org)

Ein Dialog

Der Baum und ich sind Hand in Hand,
Doch gehn wir nicht spazieren.
Wir träumen in ein Märchenland,
Um nicht zu sehr zu frieren.

Ich fass ihn an, er grüßt zurück,
Das ist Gefühl, nicht Denken,
Und dennoch nur ein kleines Stück
Der Welt, die wir uns schenken.

Samstag, 22. März 2008

Schneeostern


wikicommons.org

Schneeostern

Es kommt der Winter
Mit seinem weißen Mantel,
Und es ist Ostern.

Wo ist der Frühling
Mit seiner grünen Decke
Und all den Blumen?

Das Orakel


Bild: Jakob Jordaens, Psyches Vater befragt das Orakel im Tempel des Apollo,
1652, (zeno.org)

Das Orakel

Was soll ich alle Rätsel lösen?
Ich kann nur zeigen, dass sie sind!
Sei es im Guten, sei ´s im Bösen,
Mir ist ´s genug, was ich da find.

Auch das Orakel schweigt am Ende,
Weil niemand mehr zu fragen wagt.
Und ihm ist immer Zeitenwende,
Wenn irgendwo ein Morgen tagt.

Freitag, 21. März 2008

Entdeckung beim Karfreitagsspaziergang


Bild: Karfreitagsratsche aus Rottenburg am Neckar,
19. Jahrhundert, (wikipedia.org)

Entdeckung beim
Karfreitagsspaziergang


Wie ich so durch die Straßen gehe,
Durch irgend so ein Niemandsland,
Und auf die tristen Häuser sehe,
Da find ich es, auf einer Wand:

Ein Hilferuf, den keiner hört,
Ganz zärtlich klein, mit weißer Kreide,
So nebenbei, damit ´s nicht stört:
„Ich weiß es nicht, warum ich bleibe.“

Zwar steht in Wirklichkeit nur da:
„Hallo!“, mehr wurde nicht geschrieben.
Doch als ich diese Wörtchen sah,
Frag ich mich, wer ist hier geblieben?

Donnerstag, 20. März 2008

Der Ärmste


Bild: Walter Gramatte, Der Narr, 1917, (zeno.org)

Der Ärmste

Den Blick verstellt
Durchs Brett vorm Kopf;
Die böse Welt,
Du armer Tropf,
Und keine Aussicht, (wegen Brett):
So brate nur im eignen Fett.

Luft


Bild: Ma Lin, Dem Wind in den Kiefern lauschend, 1246, (zeno.org)


Luft

Wo immer Luft ist,
Da fällt sie uns nicht mehr auf,
Wir atmen einfach.

Im ganz leeren Raum
Ist keine Luft vorhanden,
Sie fehlt zur Gänze.


Das Kleid


Bild: Aubrey Beardsley, Das Pfauenkleid,
1892, (zeno.org)

Das Kleid

Längst schon hast du es entsorgt,
Jenes wunderbare Kleid;
Von wem hattest du ´s geborgt? -
Seltsam war sie, jene Zeit.

Deine Wünsche hingen dran,
Deine Hoffnung, deine Träume,
Bis du dachtest irgendwann,
Das sind alles hohle Schäume.

Jetzt siehst du auf alten Mauern,
Träume sterben nie, sie leben!
Und sie werden überdauern,
Ohne sie würd ´s gar nichts geben.

Ach das Kleid! Du warst noch jung,
Hattest alle Illusionen;
Jetzt hat jede einen Sprung –
Nur die Träume wirst du schonen.

Mittwoch, 19. März 2008

Kein Frühlingsspaziergang


Bild: Kwok Hei, Früher Frühling,
Song Dynastie, (wikicommons.org)

Kein Frühlingsspaziergang

Dein Waldweg kennt den Namen nicht,
Den du ihm gabst, vor langer Zeit.
Du gehst ihn ja mit dem Gesicht,
Das man nur trägt, wenn ´s Blätter schneit.

Weißt nicht genau, was in dir frisst,
Die frischen Knospen siehst du kaum.
Und weil es in dir herbstlich ist,
Sind sie dir fremd heut, Wald und Baum.

Dann hörst du einen neuen Ton:
Ein Frühlingsvogel jubelt laut,
Und zwischen Knospen hat er schon
Beinahe sich sein Nest gebaut.

Jetzt kennst du ihn, und er kennt dich,
Der Vogel, Baum und Weg und Wald.
Du bist in dir und sie in sich,
Und plötzlich ist dir nicht mehr kalt.

An Emily Dickinson


Wikipedia.org

An Emily Dickinson

Lass dich nicht finden,
Sonst bist auch du verloren,
Im Dickicht der Stadt.

Die Sprache liegt hier,
Hier im Dickicht der Städte,
Vergraben im Kopf.

Nicht jedes Wort spricht,
Aber deines ist sehr laut -
Für meine Ohren.

Dienstag, 18. März 2008

Frühlingshoffnung


Bild: Sandro Botticelli, Primavera (Frühling),
1485-87, (zeno.org)

Frühlingshoffnung

In Erwartung – Frühlingsblumen;
Noch einmal kommt Schnee und Eis.
Unter unsern Ackerkrumen
Aber, schläft der Frühling leis.

Bald wird er mit Macht erstrahlen,
Und der Winter wird verlacht.
Lange kann er nicht mehr prahlen,
Vielleicht nur noch diese Nacht.

Weit weg


Bild: Hans Makart, Die fünf Sinne, 1872-1879, (wikipedia.org)

Weit weg

Es fällt mir schwer dir zuzuhören,
Denn ich hab wandernde Gedanken.
Doch bitte lass dich ja nicht stören!
Ich habe keine Lust zu zanken.

Was interessieren mich die Sorgen
Des Alltags, all der kleine Kram! –
Soll ich dir meine Ansicht borgen?
Ach nein, du hast heut keine Scham.

Montag, 17. März 2008

Arroganz


Bild: Sir Lawrence Alma-Tadema,
Zwischen Hoffnung und Furcht, 1876, (zeno.org)

Arroganz

Ich ertappe mich –
Bei kleinlichem Getue.
Das ist lächerlich,
Denn meine Seelenruhe
Geht ein durch Überheblichkeit,
Und stielt mir so die teure Zeit.

Sonntag, 16. März 2008

Übergang


Bild: Lang Shining, Die friedliche Frühlingsbotschaft,
um 1736, (wikicommons.org)

Übergang

Bald schon, bald schon wird es schneien,
Freu dich, wenn es Blüten sind,
Denn die Frösche prophezeien
Einen kalten, bösen Wind.

Lange, lange ist das Warten
Auf die guten Frühlingsboten.
Warme Erde dann im Garten.
Blüten dann, ja, auch die roten.

Samstag, 15. März 2008

Freizeitchoral


Bild: William Gogarth, Das Bankett, 1754/55, (zeno.org)

Freizeitchoral

Komm, lass uns heute sündigen,
Bevor sie uns entmündigen
Und in die Klapse stecken.
Was interessiert uns denn die Welt?
Wir machen das, was uns gefällt,
Auch wenn wir dran verrecken.

Zuerst gehn wir uns Unsinn kaufen,
Danach geht ´s zum Koma-Saufen.
Komm, bleib cool und locker!
Nur nicht denken, immer lachen,
Bloß noch Zeit zum Party machen;
Uns schmeißt nichts vom Hocker.

Rückkehr der Zugvögel


Bild: Hieronymus Bosch, Der Garten der Lüste (Detail),
um 1450, (wikicommons.org)

Rückkehr der Zugvögel

Schon sind die gefiederten Kleinen
Zurück aus dem goldenen Süden.
Sie machen stets das, was sie meinen;
Ich sehe sie niemals ermüden. -

Wenn alle Plätze besetzt sind,
Will ich mir selbst einen bauen.
Ich warte nicht auf den Südwind
Und muss mir nur selber vertrauen.

Wind

Der Vorhang bauscht sich
Durch einem kalten Windstoß.
Der Frühling fröstelt.

Freitag, 14. März 2008

Der Besen


Bild: Vincent Willem van Gogh, Frau mit Besen,
1882, (zeno.org)

Der Besen

Dass ich die Welt nicht ändern kann,
Will ich gar nicht wissen.
Ich mach es jetzt, nicht irgendwann,
Sag nein zu Kompromissen.

Ich nehm ein Vorurteil von mir,
Und lass es einfach fallen.
Gleich danach nehm ich eins von dir,
Und noch eins von uns allen.

Den großen Besen hol ich dann,
Und fege sie zusammen,
Damit ich sie entsorgen kann,
Dorthin, woher sie stammen.

Donnerstag, 13. März 2008

Der Traum des Rodja Raskolnikoff


Bild: Felix Vallotton, Fjodor M. Dostojewski,
1895, (zeno.org)

Der Traum des Rodion Raskolikoff*

Der Kutscher schlägt das Pferdchen tot,
Es ist zu schwach und auch zu alt.
Ach Rodja, es ist eine Not,
Der Kutscher hat das Pferd bezahlt.

Und darum darf er es erschlagen,
Nein Rodja es hat keinen Sinn.
Du kannst es sicher nicht ertragen,
Und darum sieh woanders hin.


*eine Romanfigur von Fjodor M. Dostojewski

Mittwoch, 12. März 2008

Teufel noch mal!


Bild: Wilhelm Busch, Schmied und Teufel, (zeno.org)

Teufel noch mal!

Wenn der Teufel mit dir ringt,
Und es dir dann doch gelingt,
Diesen zu sich selbst zu jagen,
Kannst du: „Teufel noch mal!“ sagen.

Der Mond im Teich


Bild: Lovis Corinth, Walchensee, aufgehender Mond,
1922, (zeno.org)

Der Mond im Teich

Lange nach Mitternacht
Hat mir der kleine Teich
Von ihm ein Bild gemacht,
Vollmond – so klar und bleich.

Aber ich sehe nicht,
Wenn ich ins Wasser schau,
Mein eignes Angesicht,
Wasser so dunkelblau.

Dienstag, 11. März 2008

Regen


Bild: Kikukawa Eizan, Zwei Schöne im Regen, 19. Jh., (zeno.org)

Regen

Ohne Regenschirm
Spürst du die Regentropfen
Wie die Berührung.

Wo die Berührung
Deine Haut erglühen lässt,
Bist du der Regen.


Die Ruine


Bild: Caspar David Friedrich, Die Ruine des Klosters Eldena,
1824, Bleistift/Aquarell, (zeno.org)

Die Ruine

Wir kennen alle solche Orte,
Die die Erinnerungen tragen.
Darum vermeiden wir die Worte
Die trennen, keine Brücken schlagen.

Die Orte sind nur noch in tieferen Gedanken,
Die Wirklichkeit hat sie schon längst verwandelt.
Um uns sind viele Zäune, Grenzen, Schranken.
Jetzt wird es Zeit, dass die Erinnerung dort handelt.

Montag, 10. März 2008

Frühlingsanfang


Bild: Paul Baum, Frühling, 1904, (wikicommons.org)

Frühlingsanfang

Da drüben schimpfen meine Spatzen;
Wer weiß schon, was das Völkchen treibt?
Zwei Frauen stehen da und schwatzen,
Und dort die Politesse - schreibt.

Mit meiner Jacke ist ´s zu warm,
Doch ohne ist es noch zu kühl.
Mein Städtchen blüht im Frühlingscharme:
Es ist ein herrliches Gefühl.

Sonntag, 9. März 2008

Am Wasser


Bild: Paul Cézanne, See von Annecy (1), 1896, (zeno.org)

Wie ein kleines Kind
Steine ins Wasser werfen.
Kreise entstehen.

Ringe konzentrisch
Laufen lang noch zum Ufer.
Vergessen der Stein.




Meine Rache am Alltag


Bild: Michelangelo Caravaggio,
Der Hl. Hieronymus beim Schreiben, 1605/06, (zeno.org)

Meine Rache am Alltag

Des Tages Mühen sind vorbei,
Ich freu mich auf die lange Nacht.
Jetzt leg ich die Gedanken frei,
Und tu es sorgsam, mit Bedacht.

Was mir jedoch die Nacht dann gibt,
Kann ich vorher nicht sagen.
Doch jemand der die Sprache liebt,
Der wird sich das nicht fragen.

Ich lebe in dem Silbenspiel,
Im Spielen mit der Sprache.
Das sind mir Herz, und Weg, und Ziel -
Und manchmal meine Rache.

Samstag, 8. März 2008

Für Rajzel Zychlinski



Übersetzung:
 

I Remember

Dedicated to Jacob Patt

I remember -
It was a day
like today -
I was alone in a park.
The benches were empty and abandoned,
as if they knew
that never again
would anyone sit on them.
Slowly the leaves were falling,
counting the autumns on the earth.
Silence was all around,
as before a storm.
In what country was that?
In what city?
It was a temple
without a God
and without worshipers.
And how did I save myself
from there?



Für Rajzel Zychlinski

Gleichnis - Keimkorn der Veränderung
Hingehaucht ins Nichts
Hingeworfen vor die Säue
Hingerafft durch Gleichgültigkeit

Auferstanden in Poesie
Wiedergeworden im Wort
Heimat der Heimatlosen
Weltall Lyrik

Haiku vom Frühling


Bild: Cosmé Tura, Der Frühling, um 1460, (wikicommons.org)

Eine Nacht reicht aus
Winter ist ihm zu Ende
Plötzlich grünt der Baum



Freitag, 7. März 2008

Im Supermarkt


Bild: wikicommons.org

Im Supermarkt
(Versuche am Haiku - mit Dank an Gabriele Brunsch)

Menschen Beim Wählen
Ratlos vor den Regalen
Fülle der Waren

Supermarktspiele
Immer Rot Grün Gelb einzeln
Paprika farbig

Münze für Münze
Tägliches Zählritual
Immer zu wenig

Meine Umgangsformen


Bild: Gustav Klimt, Studienblatt: Herr mit Opernglas,
1888, (zeno.org)

Meine Umgangsformen

Bitte sag ich gar nicht gern,
Danke fällt mir schwer.
Höflich denken liegt mir fern,
Es zu sein noch mehr.

Dabei bin ich kein Rabauke,
Und kein roher Mann,
Hau so selten auf die Pauke,
Dass ich es kaum kann.

Schwer fällt mir die meiste Zeit,
Dass ich mit ihr gehe.
Höflich? Nein. Doch Freundlichkeit,
Ist ´s zu der ich stehe.

Donnerstag, 6. März 2008

Märzkälte


Bild: Foto A. Heidemann, Aufnahme vom 5. März 1995

Vögel verstummen
wenn die Kälte zurückkommt
mein Atem vereist

Gabriele Brunsch



Märzkälte

Das Lied der Frühlingsvögel stummt,
Es ist noch einmal kalt geworden.
Ich bin beim Wandern eingemummt
Und fühle mich wie hoch im Norden.

Noch einmal wird der Atem Eis
Und Silber legt sich übers Land.
Warum auch nicht, wenn ich doch weiß:
Bald wird der Winter überrannt.

Wehmut


Bild: Aubrey Vincent Beardsley, Isolde, 1895, (zeno.org)

Wehmut

Du bist nicht da und ich vermisse
Das helle Licht, das aus dir strahlte. -
Wir hatten nie Gewissensbisse,
Uns kümmerte nicht, wer bezahlte.

Da kreist ein Falter um die Kerze,
So wie die Zeit - sie wird mir lang.
Ich geb ´s nicht zu und mache Scherze,
Doch ganz tief drinnen ist mir bang.

Mittwoch, 5. März 2008

Im Stadtpark 3


Bild: Childe Hassam, Dame im Stadtpark, 1897, (zeno.org)

Im Stadtpark 3

Im Stadtpark plärrt
Ein Radio
Die alte Dame
Bei der Parkbank
Gerne stellt sie sich taub
Um mithören
Zu dürfen.

Im Kornfeld


Bild: Berthe Morisot, Kornfeld, 1875, (zeno.org)

"Man muss immer etwas haben, worauf man sich freut."
Eduard Mörike

Im Kornfeld

Lass durch diese Vogelscheuchen
Dich heut nicht ins Bockshorn jagen.
Das gehört zu den Gebräuchen,
Und sie werden dir nichts sagen.

Stör die Hasen nicht da vorn,
Die so lustig rammeln.
Aber komm mit mir ins Korn,
Ich will Flinten sammeln.

In der Mausefalle


Bild: Hausmaus, (zeno.org)

In der Mausefalle

Denk daran, du wolltest Speck!
Doch das hat jetzt keinen Zweck,
Du sitzt in der Tinte.
Nachzugrübeln hilft nicht viel,
Diese Falle ist kein Spiel;
Ich weiß eine Finte:

Such dir einen Bahnhof aus,
Lass dort einen Urschrei raus
In der großen Halle.
So! Jetzt fühlst du dich befreit.
Manchmal hilft es wenn man schreit
In der Mausefalle.