Tagebuch - nicht nur meiner literarischen Arbeiten

Verleger gesucht!

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Es gelten die rechtlichen Hinweise, wie auf meiner homepage.siehe:

Willkommen bei meinen Worten und Gedanken. Schreibt mir, wenn ihr etwas dazu meint. Meine E-Mail Adresse:
spinger.paul@googlemail.com

Für Teilnehmer und Freunde meiner freien Seminare steht ab sofort folgende Seite zur Verfügung:
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Hörbares von mir: http://paul-spinger.podspot.de

Montag, 30. Juni 2008

Lob der Illusion

Bild: Joaquin Torres Garcia, Constructivo con campana, 1932, (wikicommons.org)

Lob der Illusion
(angeregt durch einen Entwurf von Gabriele Brunsch)

Wir glauben an die Macht der Zeit,
Und haben davon nie genug. -
So manche kleine Ewigkeit
Ist nicht viel mehr als Selbstbetrug.

Es heißt, dass Zeit die Wunden heilt,
Kaum jemand will ´s bestreiten.
Doch jeder der durch ´s Leben eilt,
Dem wird es bald entgleiten.

Was nützt mir Wissen und Verstand
Im Kampf um Zeit und Räume? –
Ich nehm ein seidenweiches Band,
Bind es um meine Träume.

Und dieses Band ist selbst gewebt
Aus Hirngespinsten, Illusionen.
Man braucht es, wenn man richtig lebt,
Und darf die Zeit nicht schonen.

Sonntag, 29. Juni 2008

Tod am Teich

Bild: John William Waterhouse, Echo und Narzissus am Teich, 1903, (wikicommons.org)

Tod am Teich

Das Jenseits ist mit Blütenstaub
Auf zarte Flügel eingegraben.
Uns schaudert der Libellenraub,
Bevor wir ihn verstanden haben.

Am Teich geschieht es alle Tage,
Bei Tage stirbt der Schmetterling.
Und dass ich nach dem Grunde frage,
Ist, weil ich an dem Zauber hing.

Das Echo und das Spiegelbild
Sind beide schnell vergessen.
Und Schmetterlinge, frei und wild,
Die werden aufgefressen.

Langeweile in Moll

Bild: Juan Gris, Stillleben mit Bordeauxflasche, 1919, (zeno.org)

Langeweile in Moll
(für Ch.)

Der Fado wartet vor den Türen,
Er wartet nur sehr kurze Zeit.
Sie lässt sich gar zu gern verführen,
Von ihrer eignen Einsamkeit.

Mit ihren wundersamen Ängsten
Legt sie das ganz Haus in Blues.
Mit der Tristesse tauscht sie den engsten
Und immer gleichen langen Kuss.

Der müde Fado, er verschwindet,
Es bleibt nur noch der Blues im Haus
Und wird zum Kreislauf, der sich windet.
Doch die Musik geht niemals aus.

Das Glühwürmchen im Dickicht

Bild: Iwan Iwanowitsch Sischkin, Das Dickicht, 1881, (zeno.org)

Das Glühwürmchen im Dickicht

Da war ein klitzekleines Licht,
Kein Glanzlicht, nein, nur so ein Funkeln;
Zwei Schritte weiter sah man ´s nicht,
Und dachte alles sei im Dunkeln.

Es leuchtete so ganz alleine,
Der Mond stand hinter dichten Bäumen,
Da wusste ich, es war das meine -
Und soll mir leuchten in den Träumen.

Samstag, 28. Juni 2008

Urs Oberlin


Bildquelle: http://www.sokultur.ch/html/kulturschaffende/print.html?q=&qs=all&p=489

Urs Oberlin

Am vergangenen Mittwoch starb der Schweizer Dichter und Übersetzer aus dem Rätoromanischen und Italienischen Urs Oberlin. Statt einer Würdigung hier eines seiner Gedichte:

Worte
du denkst sie nicht
ohne sie
denkst du nicht
unsere Worte
sind Fleisch geworden
Wie
wird Fleisch
wieder Wort

Wörter

Bild: Juan Gris, Das geöffnete Buch, 1925, (zeno.org)

Wörter

Ant-
Ehren-
Fremd-
Ja-
Macht-
Pass-
Schimpf-
Schlag-
Schluss-
Vor-
Sprich-
Stich-
Zauber-


Freitag, 27. Juni 2008

Nach dem Konzert

Bild: Gerard ter Borch d. J., Das Konzert, 1655, (zeno.org) 

Nach dem Konzert

Die letzte S-Bahn trägt mich heim,
Schwimmt melancholisch durch die Stadt.
Das Draußen hält die Nacht geheim,
Doch meine Augen sind schon satt.

Jetzt will ich auch mit keinem sprechen,
Im Ohr sind noch die Melodien.
Ich möchte nicht den Zauber brechen,
Den habe ich mir nur geliehen.

Mit Worten kann ich´s nicht beschreiben,
Ich will auch gar nichts überdenken,
Und lasse mich ganz einfach treiben.
Das Morgen wird sich selber lenken.

Donnerstag, 26. Juni 2008

Tohuwabohu

Bild: William Hogarth, Der gepeinigte Poet, enstanden zwischen 1729 und 1736, (zeno.org)

Tohuwabohu

Nicht die Seele, nicht der Geist,
Nicht das Herz, oh ja, du weißt,
Manches mal spricht nur der Bauch.
(Und dann spricht die Seele auch!)

Aber
Wenn Herz, Geist, Seele und Bauch
Gleichzeitig sprechen,
Verstehe ich meistens kein Wort mehr.

Mittwoch, 25. Juni 2008

Fluchtversuch des springenden Punkts

Bild: John William Waterhouse, Diogenes, 1882, (wikicommons.org)

Fluchtversuch des springenden Punkts

Es war einmal ein Ausgangspunkt,
Der fühlte sich bescheuert,
Denn er war nur ein Ausgangspunkt,
Und wurde nicht erneuert.

Er wollte mal woanders hin,
Nicht immer nur am Anfang stehn.
Drum sagte er zu der Doktrin:
„Macht ´s gut! Auf Wiedersehn.“

Ein wilder, schrecklicher Protest,
Bei allen Fachidioten;
Sie stellten auf der Stelle fest,
Das Wandern sei verboten.

Ein Anfang sei nur dazu da,
Um anfangs da zu sein,
Und fingen mit sehr viel Trara
Das Pünktchen wieder ein.

Über Nacht

Bild: Odilon Redon, Stille, 1911, (wikicommons.org)

Über Nacht

Eine Weile träumte ich,
Träumte was ich schrieb,
Eine kleine Weile. –
Aufzustehn versäumte ich,
Las dann, was da blieb:
Eine kurze Zeile.

Welche Muse sandte mir
Diese Bleistiftzeile? –
Alt, sehr alt war das Papier:
Will dass ich verweile.

Dienstag, 24. Juni 2008

Trost

Bild: Anna Achmatowa im Jahr 1950, (wikipedia.org)

Trost

Heute traf ich eine Russin,
Die nichts mehr hofft,

Die an gar nichts mehr glaubt. -

Aber sie liebt 
Die Gedichte der Achmatowa.
Also ist die Welt 
Doch kein völlig
Verworfener Ort.

Ein Pfund Walderdbeeren!

Bild Jean-Baptiste Siméon Chardin, Der Erdbeerkorb, um 1760-61, (wikicommons.org)

Ein Pfund Walderdbeeren!

Viel zu schade für den Kuchen
Waren meine Walderdbeeren.
Es blieb nicht nur beim Versuchen:
Alle musste ich verzehren.

Leider ist mir diese Speise
Nicht so sonderlich bekommen.
Hätt ich doch der Waldameise
Nicht so viele weggenommen!

Nach dem Gewitter

Bild: Marie Spartali Stillman, Beatrice, 1895, (wikicommons.org)

Nach dem Gewitter

Gegen Abend 
Hat ein Gewitter
Die Hitze weggefegt.

Gedanken tragend,
Ein wenig bitter
Kann es mir sein,
Dass jene graue Wolke
Sich vor den Mondschein
Breit und dunkel legt,
Keinen fragend.

Die Muse sieht
Vom Buche auf und sinnt
Und schauert noch.

Montag, 23. Juni 2008

Gurren

Bild: Franz von Bayros, Illustration zu "Das Märchen aller Märchen oder Das Pentameron" von Giambattista Basile, Tierbrüder, 1909, (zeno.org)

Gurren

Deutlich hörte ich ein Murren,
Aber es war Taubengurren
Gegenüber auf den Bäumen.
Was mich wohl dazu bewog,
Dass das Gurren mich so trog,
Und mich störte in den Träumen?

Gewitterdrohen

Bild: Jan van Goyen, Landschaft mit zwei Eichbäumen, 1641, (wikicommons.org)

Gewitterdrohen

Mir ist so melancholisch-heiter.
Vielleicht weil ein Gewitter naht?
Ich bin ein schlechter Wegbegleiter,
Für jemand der Gewitter hasst,
Und manchmal wünsch ich sogar fast
Die Hagelkörner auf der Saat.

Dort die Wolke, welch ein Riese,
Legt sich schwärzlich vor das Licht,
Vor die Sonne! Grade diese
Will der Donnergott bedecken, -
Nein, mich kann er nicht erschrecken,
Wenn er endlich grollend spricht.

Sonntag, 22. Juni 2008

Für Fernando Pessoa

Bild: Fernando Pessoa, Zeichnung von Joáo Luiz Roth, (wikicommons.org)

Für Fernando Pessoa

Der Alltag hat mich längst vergessen;
Ich leb im Traum. Der Traum in mir
Lässt seine Flügel unterdessen
Zurück im Tag, ganz ohne Zier.

Der ganze Himmel schrecklich heiter,
Ein kleines Stück ist traurig blau.
Noch ist es Alltag, ich träum weiter
Und meine Träume sind genau.

An den Tod

Bild: Max Slevogt, Totentanz, 1896, (wikicommons.org)

An den Tod

Du guter Tod, ich fürchte dich.
Nie bin ich dir direkt begegnet.
Ich glaube fast, dann hätte ich
Bereits das Zeitliche gesegnet.

Zwar sah ich schon so manche Leiche,
War auch beim Sterben mit dabei.
Jedoch, das ist nicht ganz das gleiche,
Wie meine eigne Sterberei.

Ein bisschen sterb ich jeden Tag,
Da geht ´s mir wie den allermeisten.
Doch weil ich noch gern leben mag:
Dein Kommen kann ich mir nicht leisten,

Denn dieses kostet mich das Leben,
Und das ist alles, was ich habe.
Ich will es dir nicht gerne geben,
Und fürchte mich vor meinem Grabe.

Ich sehe dir von weitem zu,
Und weiß, du kommst auch mal zu mir.
Doch lass mich heute noch in Ruh. –
Jetzt lebe wohl! – Ich glaub ich frier.

Samstag, 21. Juni 2008

Über den Zauderer

Bild: Arthur Schopenhauer, Gemälde aus dem Jahr 1859, (wikipedia.org)

"Für sein Tun und Lassen kann man keinen anderen zum Muster nehmen." - Arthur Schopenhauer, Aphorismen zur Lebensweisheit

Über den Zauderer

Dieses nervige Gelaber,
Vollgestopft mit „Wenn“ und „Aber“,
Hast auch du schon oft gehört.
Ganz egal was wir beginnen,
Selten kannst du ihm entrinnen,
Dass wir tun, ist was ihn stört.

Freitag, 20. Juni 2008

Der Narr II

Bild: Honoré Daumier, Don Quichotte und Sancho Pansa, um 1868, (wikipedia.org)

Der Narr II

Er hat tausend Möglichkeiten,
Niemals weiß er, was er will.
Tief im Frieden will er streiten,
Wenn es laut wird, ist er still.

Wenn es Wurst gibt, will er Käse
Isst dann lieber trocken Brot,
Und so macht er schlechte Späße
Über sich und seine Not.

Darum lass den Narr nur machen,
Mach ein heiteres Gesicht.
Man kann über Narren lachen,
Aber lustig sind sie nicht.

Die Fabel vom Igel und der Weinbergschnecke

Bild: Vincent Willem van Gogh, Wiese im Garten des Hospital Saint-Paul, 1890, (zeno.org)

Die Fabel vom Igel und der Weinbergschnecke

Auf dem Weg zur Obstwiese traf der Igel die Weinbergschnecke. „Na, wo willst du denn hin, bei diesem herrlichen Wetter?“
Darauf seufzte die Schnecke: „Ach Meister Swinegel! Ich halte es zu Hause einfach nicht mehr aus. Dauernd fällt mir die Decke auf den Kopf; ich muss unbedingt etwas anderes sehen.“
„Dann verstehe ich nicht, warum du überallhin dein Haus mitnimmst. So wirst du dich kaum anders fühlen, und schneller wärst du auch.“
Danach fraß er sie genüsslich auf, denn die Schnecke hatte in ihrem Kummer ganz vergessen in ihr Haus zu kriechen.

Ohne Wegweiser

Bild: Sir Lawrence Alma-Tadema, Der Weg zum Tempel, 1882, (zeno.org)

Ohne Wegweiser

Da ist ein Weg, den alle gehn,
Vom Anfang bis zum Ende.
Wir gehen ohne zu verstehn,
Und leer sind unsre Hände.

Wir bräuchten einen Wanderstab
Zum Klettern und als Stütze;
Selbst wenn uns jemand einen gab,
Er ist zu wenig nütze.

Ein Wasser, das ist schnell erreicht,
Zur Rechten und zur Linken
Sind viele Wasser, fahl und seicht,
Doch kann man drin ertrinken.

Zum tiefen Wasser ist es weit;
Geh weiter voller Lust!
Und krieche nicht die ganze Zeit:
Der Weg sei dir bewusst.

Ich weiß nicht, wo das Ende ist,
Noch bin ich auf der Reise,
Bin keiner, der die Wege misst,
Ich geh auf meine Weise.

Donnerstag, 19. Juni 2008

Im Morgengrauen

Bild: Frederick Edwin Church, Über den Wolken bei Sonnenaufgang, 1849, (wikicommons.org)

Im Morgengrauen

Noch nicht fertig mit der Nacht,
Überfällt mich schon der Tag.
Sieh doch, auch die Sonne lacht,
Wie mein Mond, den ich so mag.

Ach, die Vögel lehrten mich,
Lang bevor der Tag erschien,
Dass die Wolken lediglich
Da sind, um vorbei zu ziehn.

Mittwoch, 18. Juni 2008

Anmerkung

Anmerkung

Ich bin nicht irgendeiner Meinung,

Manchmal hab ich keine.

Auch bei doppelter Verneinung,

Ist das dann nicht deine.

Jedenfalls nicht unbedingt,

Wenn Überzeugen nicht gelingt.


Ama waqaychu

Bild: Inka Mauern in Cusco, Peru. (wikipedia.org)

Ama waqaychu!*

Worte die ich nicht verstand,
Worte nicht nur an ein Kind,
Fern in einem fremden Land,
Sie bewegten mich, sie sind

Tausend mal gesagt, gesungen
In den Tälern von Peru,
Sind bis heute nicht verklungen.
Wann, Europa, hörst du zu?

*(Quetchua: Weine nicht. - Gefunden bei der Suche nach traditioneller Quetchualiteratur.)

Was ich höre

Bild: John William Waterhouse,Psyche öffnet das goldene Kästchen,1903, (wikicommons.org)

Was ich höre

Was die Blumen mir erzählen,
Könnte ich schon weiter geben.
Wenn sie mich mit Fragen quälen,
Wird ´s halt schwieriger, mein Leben.

Was die Vögel für mich singen,
Singen sie für andre auch.
Manche dieser Lieder klingen
Tief hinab, bis in den Bauch.

Aber was die Steine sagen,
Das hör ganz alleine ich,
Niemand soll mich danach fragen, -
Dies Geheimnis ist für mich.

Dienstag, 17. Juni 2008

Der Narr


Der Narr

Narr der ich bin -
Jeden Tag trage ich
Einen Eimer Wasser zum Meer
Auch wenn es regnet

Dann am Strand
Räum ich dem Meer
Die Steine weg
Damit es Platz hat

Abends in meiner
Hütte am Berg
Lausche ich den Amseln
Und freue mich
Wenn es Nacht geworden ist.


Montag, 16. Juni 2008

Kirschenzeit


Bild: Berthe Morisot, Der Kirschbaum,
1893, (zeno.org)

Kirschenzeit

Ja, Ja, ich kenne das Verbot,
Doch Nachbars Kirschen werden rot,
Das kann ich jetzt schon sehen.
Ich will ja nur zwei Hände voll,
Und auch wenn man nicht stehlen soll,
Ich kann nicht widerstehen.

Ich klett´re über Nachbars Zaun,
Und will mir grade Kirschen klaun,
Da seh ich eine Leiter.
Auf ihr steht meine Nachbarin,
Mit der ich nicht befreundet bin.
Au Backe, jetzt wird ´s heiter.

Auch wenn sie ins Gesicht mir lügt,
Sie zetert nicht, sie lacht vergnügt:
„Komm her, du Kirschenklauer!“,
Schenkt mir ein ganzes Körbchen voll.
Oh nein, die Kirschen warn nicht toll,
Doch ganz entsetzlich sauer.

Für meine Freundin C.


Bild: Claude Monet, Dämmerung, Pappeln an der Epte,
1891, (zeno.org)

Für meine Freundin C.

Lass dir durch das Morgengrauen
Nicht den ganzen Tag versauen.
Dreh dich um und schlafe weiter:
Wenn du aufwachst, ist es heiter.
(Und wenn wirklich einmal nicht,
Gibt ´s ein anderes Gedicht.)

Sonntag, 15. Juni 2008

Es ist zwar kühl heute morgen, aber ...


Bild: Edgar Germain Hilaire Degas,
Frau am Fenster, 1875 - 78, (zeno.org)

Es ist zwar kühl heute morgen, aber ...

Ich mag das Fenster heut nicht schließen,
Die Spinne baute nachts ihr Netz.
Mich und die Spinne würd ´s verdrießen,
Wenn ich das Kunstwerk jetzt verletz.

Leonardos Mona Lisa zu dem sie betrachtenden Sokrates:


Bild: Leonardo da Vinci, Mona Lisa, 1503 -05,
(Louvre, Paris)

Leonardos Mona Lisa zu dem sie betrachtenden Sokrates:

Von Trauer bin ich tief durchdrungen -
Und lebe in der Heiterkeit.
Das Ganze wirkt nur dann gezwungen,
Wenn in dir Zorn und Ärger schreit.

Ich hab ein Lächeln abonniert,
Und mit Gelassenheit bezahlt,
Ein Lächeln, das mir nie gefriert,
Weil es ganz tief von Innen strahlt.

Wenn ich voll Zorn wär, wär ich weiß,
Mein Lächeln wär dann aufgesetzt;
Bräuchte ein Handtuch für den Schweiß,
Zög mich zurück, von mir entsetzt.

Du siehst mich an und spiegelst dich,
So wie du selber grade fühlst,
So kommentierst du dann auch mich,
Wenn du den Schierling runter spülst.

Ich bin auf Pappelholz gemalt,
Du wirst mich erst im Hades sehen;
Auch ohne Platos Sprachgewalt
Wirst du mich ganz bestimmt verstehen.

Samstag, 14. Juni 2008

Ode an den Mond


Bild: Karl Friedrich Schinkel, Bühnenbild zu Mozarts Zauberflöte,
1815, (Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Staatliche Museen Berlin)

Ode an den Mond

So bin ich oft, wie du der Mond,
Zeig meine dunkle Seite nicht.
Und jener Mann, der in mir wohnt
Ist ein Phantom, das niemals spricht,

Wie du ein eigenes Gestirn,
Und doch gebunden an die Erden,
Bande der Schwerkraft, die verwirrn,
Wenn wir des Nachts zur Sonne werden.

Wir leuchten nicht aus eigner Macht,
Doch geben wir die Helle wieder.
Man sieht ´s kaum, wenn die Sonne lacht,
Jedoch: auch wir gehn auf und nieder.

Wir runden auf und wir vergehen,
Mit uns ist niemand sehr allein,
Nein, nur wir selbst. - Uns zu verstehen,
Ist nicht ganz leicht, mein Mondenschein.

Schafskälte


Bild: Peter Paul Rubens, Landschaft mit dem Regenbogen,
1636-38, (wikicommons.org)

Schafskälte

Es ist zu kühl für eine Rast im Park,
Ich gehe ungeduldig eben weiter.
Ein kurzer Regenschauer, heftig, stark -
Ganz plötzlich wird´s dann wieder heiter.

Von vollen Ästen tropft noch immer Regen,
Während die Sonne zwischen meinen Bäumen strahlt.
Ich möchte mich am liebsten schlafen legen –
Und jemand der mir einen Regenbogen malt.

„When I`m sixtyfour“


Bild: Johann Sperl, Mädchen im Bauerngarten,
1885, (zeno.org)

„When I`m sixtyfour“

Wenn ich mal erwachsen werde,
Kauf ich mir zwei Hände Erde
Und leg einen Garten an.
Ich besorg mir einen Spaten,
Züchte Hühner und Tomaten,
Bin dann ein versorgter Mann.

Dann im Herbst beim Bäume stutzen,
Und auch beim Gemüse putzen,
Bin ich froh und munter. –
Ach, wie kann ich nur so flachsen,
Nein, ich werde nicht erwachsen,
Lieber treib ich ´s bunter,

Gehe fremde Gärten schauen,
Und beim Nachbarn Äpfel klauen,
Weil sie dann erst schmecken.
Ja, ich kann es kaum erwarten,
Was da wächst in seinem Garten,
Werd ich schon entdecken.

Freitag, 13. Juni 2008

Eine Haikudiskussion


Bild: Gyosai, Die generösen Mäuse, 1889, (wikicommons.org)

Eine Haikudiskussion
(über zwei meiner Haiku)


I Eindruck vergessen!
Es ließ sich nicht vermeiden,
Beim Silben zählen.

II Eine Gleichung bin ich
Aus lauter Unbekannten,
Will ich gelöst sein.



Der elliptische Quadrant
Ist mir leider unbekannt.
Doch die Quadratur des Kreises,
Jeder kennt das, jeder weiß es,
Sind des Lebens Variable,
So wie ich verstanden habe.

Lasst uns keine Störche braten
Für die Lyrikbürokraten!
Es genügt uns sie zu schreiben:
Impressionen, die dann bleiben.

Lied des Windes


Bild: Ogata Korin, Windgottheit,
18. Jh., (wikicommons.org)

Lied des Windes

Du sagst ich bräuchte irgendeine Richtung,
Es würde sich nicht ohne weit´res wehn.
Doch weiß ich nichts von so einer Verpflichtung,
Ich kann ja, wenn ich will, mich um mich selber drehn.

Du meinst, es gäbe auch für mich bestimmte Grenzen,
Und denkst an deinen eng begrenzten Horizont.
Ich habe keine festgebund´nen Existenzen,
Bin mal weit hinter und mal direkt vor der Front.

Donnerstag, 12. Juni 2008

Steine berühren


Bild: Johann Heinrich Füssli, Prinz Arthur und die Feenkönigin,
um 1788, (zeno.org)

Steine berühren

(nach einer Metapher von Miroslav B. Dušanić)


Die Haut der Steine,
Wenn sie warm ist, von Sonne umspült war,
(Ihr wisst, was ich meine?),
Dann habt ihr ´s gefühlt, nicht nur scheinbar.

Und im Innern von Steinen,
In den Elfenräumen,
Die durchsichtig scheinen,
(Ihr spürt, was sie meinen),
Jene Geister, die kleinen,
Verführung zum Träumen.

Steinhaut – am Teich
Mondlicht – goldbleich.

Mittwoch, 11. Juni 2008

Von Blumen und Bienen


Bild: Paul de Longpré, Rose und Biene, 1898, (wikicommons.org)

Von Blumen und Bienen

Es schlief die Biene tief und fest,
Kam drum zu spät zum Blumenfest,
Die Blüten warn geschlossen.
Das Blumenfest war längst vorbei,
Es war schon Nacht im Monat Mai:
Die Biene war verdrossen.

Als dann der frühe Morgen kam,
Da flog die Biene voller Scham
Zu einer großen Blüte.
Die machte ihr sehr schöne Augen;
Sie ließ die Biene Nektar saugen -
Und dankte für die Güte.

Dienstag, 10. Juni 2008

Meine Raben


Bild: Arthur Rackham, Die zwei Raben, 1919?, (zeno.org)

Meine Raben

Jetzt im Sommer
Sind sie selten zu hören.
Sie singen nicht
Wie andere Vögel.

Nein, sie krächzen
Die Götterboten. –
Aber man kann sie
Sprechen lehren.

- - - -

Da beraten sich zwei Raben
Über ihr erbärmlich Los,
Dass sie keine Lobby haben;
Früher, ja, da warn sie groß,

Waren Odins Götterboten,
Hatten auch dem Zeus geraunt,
Bis die Kirche sie verboten,
Dass das ganze Tierreich staunt,

Was die sich gefallen lassen,
Diese ganz normalen Leute, -
Und dass sie die Raben hassen,
Spürt das Rabenvolk bis heute.

Montag, 9. Juni 2008

Die Kohlmeise


Bild: Peter Withoos, Kohlmeise auf einem Ast, 17. Jh., (zeno.org)

Die Kohlmeise

Die Meise baute sich ihr Nest
Bei Vogelscheuchenbauern.
Sie feierte ihr Hochzeitsfest,
Obwohl dort Katzen lauern.

So lebt sie einfach in den Tag,
Frisst Würmer, Sämereien.
Auch wenn sie keine Katzen mag,
So ist sie doch am feiern.

Die Mäusemörder wissen ja,
Dass Meisen fliegen können.
Und wenn bis jetzt kein Mord geschah,
Dann sei ´s ihnen zu gönnen.

Eine nicht mögliche Antwort


Bild: Pieter Bruegel d. Ä., Turmbau zu Babel, Detail,
1563, (zeno.org)

Eine nicht mögliche babylonische Antwort
(an Miroslav B. Dušanić)

Da die Leiter immer brennt,
Die uns vom „nach oben“ trennt,
Wollten wir hier unten bleiben. -
Du erkanntest, dass die Fabel,
Jenes alte Lied von Babel,
Dich getrieben hat zum Schreiben.
Und von unten kam ein Licht,
Und die Leiter brannte nicht.

Nein, der Turm fiel nie zusammen;
Alle guten Lieder stammen
Aus den Herzen und den Steinen,
Beide lachen, beide weinen. -
Die Geschichte lehrt uns nicht,
Was ein schweigendes Gesicht,
Das sich selbst am ärgsten quält,
Uns von Babylon erzählt.

Sonntag, 8. Juni 2008

Märchenhilfe gesucht


Bild: Marianne Stokes, Schneewittchen, um 1890, (wikipedia.org)

Märchenhilfe gesucht!

Zwergengift und Blumennot!
Flugenzwitsch und Haselspecht,
Schwarzgewand und Sorgenrot,
Niemand gibt den Märchen recht.

Doch es wird einmal
Es war einmal
Gewesen sein.

Nachts im Wald


Bild: Utagawa Sadahide, Landschaft, 1899, (wikicommons.org)

Nachts im Wald

Ein Nachtgetiertanz?
Ich hör einen leisen Ton,
Der Wald schläft nie ganz.

Orpheus kehrt zurück


Bild: Eugéne Ferdinand Victor Delacroix,
Dante und Vergil in der Hölle, (Dantebarke),
1822, (zeno.org)

Orpheus kehrt zurück
Trost eines Märchens

Dunkle nicht so vor dich hin,
Das ist keine gute Speise.
Irgendeinen tiefen Sinn
Hat bestimmt auch diese Reise.

Niemand kann aus Lethe trinken,
Ohne ewig zu vergessen.
Siehst du nicht das Fährboot sinken?
Du wirst nur Verzweiflung essen.

Viele Schatten werden kommen,
Seinen Untergang beweinen,
Auch die Guten und die Frommen,
Weil sie sich im Himmel meinen.

Nur der Sänger kehrt zurück,
Er vergisst nicht, er will singen,
Singt vom Leid und singt vom Glück.
Welche Lieder wird er bringen?

Samstag, 7. Juni 2008

Im Wald


Paul Cézanne, Im Wald, 1898-99, (zeno.org)

Im Wald

Der Wald trägt ein Kleid,
So tausendfach grün,
Im Herbst trägt er buntere Kleider.
Der Sommer, er leiht
Sich vom Frühling das Blühn.
Der Herbst sucht sich andere Schneider.

Vom Herbst red ich schon?
Der Sommer ist hier!,
Der Frühling ergießt sich im Weiten.
Ein kräftiger Ton
Erblüht, und in mir
Ist der Herbst schon wieder am Streiten.

Freitag, 6. Juni 2008

Die schüchterne Knospe


Bild: Childe Hassam, Frau schneidet Rosen in einem Garten,
1888/89, (zeno.org)

Die schüchterne Knospe

Eine Knospe die nicht wusste,
Dass sie auch erblühen musste,
Die versteckte sich im Strauch. –
Und erblühen tat sie auch.

War als Blüte in der Mitten,
Doch sie wurde auch geschnitten.

Zusatz für Petros

Eine Knospe die erblüht,
Ist schon keine Knospe mehr.
Knospen schneiden wär verfrüht.
(Wenn ´s nicht grad ne Kaper wär.)

Für Miro


Bild: Das Foucaultsche Pendel im Jahrtausendturm (Magdeburger Elbauenpark),
(wikipedia.org)

Für Miro

Du ersehnst die lange Nacht,
Die doch keine Nacht mehr ist,
Nicht aus Dunkelheit gemacht,
Nie zu Ende, ohne Frist?

Aber sag, wie kannst du warten,
Wenn dich selbst das Warten ekelt?
Komm, verlasse diesen Garten,
Wo sich faul das Elend räkelt.

Geh hinein, hinein nach Babel,
Wo wir kaum etwas verstehen.
Und ersinne jene Fabel,
Die nur so entsteht: im Gehen.

Tagesaphorismus 6. Juni 2008


Bild: Marionettentheater Plön, (wikipedia.org)

Marionettenspiel

Wenn du bei einem Marionettenspiel nur die Fäden siehst, kannst du die Geschichte nicht verstehen; du solltest aber nicht vergessen, dass die Fäden da sind.

Choral an den Bach


Bild: Julia Margaret Cameron, Das Flüstern der Muse,
Fotografie aus dem Jahr 1865, (zeno.org)

Choral an den Bach

Der Bach fließt nach unten,
Die Wildrosen auch,
Sie sehnen sich beide nach oben.
Die Rosen, die bunten,
Den Wildrosenstrauch,
Und auch den Bach will ich loben.

Ach, munterer Bach,
Du plapperst so laut,
Erzählst deinen Steinen Geschichten.
Du bist immer wach;
Deine Wildrosenbraut
Wird im Sommer mir alle berichten.

Donnerstag, 5. Juni 2008

Zugfahrt


Bild: Claude Monet, Bahnhof Saint Lazare in Paris,
Ankunft eines Zuges, 1877, (zeno.org)

Zugfahrt

Wir sitzen gerne stumm herum,
Wie Fische im Aquarium.
Blub blub.
Wir reden mit dem Nachbarn nicht,
Und blicken keinem ins Gesicht.
Zuck, zuck.

Wir hören nur noch Walk-Man-Lärm,
Dann drückt es uns noch im Gedärm,
Wir gehen nicht aufs Klo.
Dann endlich ist der Bahnhof da;
Vergnügen nein, Verspätung ja,
Und wir sind schrecklich froh.

Lyrik ist


Bild: Anselm Feuerbach, Poesie,
zweite Fassung, 1803, (zeno.org)

Lyrik ist

Lyrik ist
Die Stille zwischen den Silben
Das Aufblitzen
Eines Herzschlags
Beim Lesen eines Wortes.

Lyrik ist
Der Trost
Und das Sichtbarmachen
Der Verzweiflung.

Lyrik ist
Der Blick des Wortes
In unsere Seele.

Lyrik ist
Immer nur Lyrik
Aber sie ist.

Mittwoch, 4. Juni 2008

Über Lyrik


Über Lyrik
(Für Petros)
Das ist Wolfgang Schulze

Auch Lyrik kommt nicht aus dem Nichts. –
Wodurch wird sie getragen?
Hier das Ergebnis des Berichts:
Ich kann es euch nicht sagen.

Ich weiß nur, dass sie nicht allein
Durch Menschenwerk entsteht.
Es muss viel mehr und tiefer sein,
Weil ´s an die Herzen geht,

Und sogar tiefer als ans Herz,
Bis an den Grund der Seele; -
Es sei denn, es ist nur Kommerz
Und sinnloses Gequäle.