Tagebuch - nicht nur meiner literarischen Arbeiten

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Mittwoch, 31. März 2010

Rokhel Korn - Ein neues Kleid


Rokhel Korn

a nay kleyd

ikh hob zikh ongeton haynt,
tsum ershtn mol
nokh zibn lange yor
a nay kleyd.

nor s'iz tsu kurts far mayn troyer
un tsu eng far mayn leyd,
un s'iz ayeder veys-glezerner knop,
vi a trer,
vos flist fun di faldn arop
farshteynert un shver.



אַ נײַ קלײד


איך האָב זיך אָנגעטאָן הײַנט,
צום ערשטן מאָל
נאָך זיבן לאַנגע יאָר
אַ נײַ קלײד.


נאָר ס'איז צו קורץ פֿאַר מײַן טרויער
און צו ענג פֿאַר מײַן לײד,
און ס'איז אײדער װײס־גלעזערנער קנאָפּ,
װאָס פֿליסט פֿון די פֿאַלדן אַראָף,
פֿאַרשטײנערט און שװער.



 Rokhel Korn um 1920


Meine Übertragung:

Ein neues Kleid

Ich hab es angezogen heut,
Zum ersten Mal
Nach sieben langen Jahren,
Das neue Kleid.

Nur, es ist zu kurz für meine Trauer,
Und zu eng für mein Leid,
Und jeder weiß-glänzende Knopf ist
Wie eine Träne,
Die von den Falten herunter fällt,
Versteinert und schwer.

Der alte Fuchs - (Versfabeln 4)


Bild: Bruno Liljefors, Dem Fuchs entkommen, 1912, (wikicommons.org)

Der alte Fuchs – (Versfabeln 4)


Der Fuchs war kräftig, aber lahm,

Weil er schon in die Jahre kam.

So wurde er zum Eierdieb,

Weil ihm nichts anders übrig blieb.


Er stahl sich hier und da ein Ei,

Auch mal ein Küken nebenbei,

Und jagte nur noch, wenn er musste,

War viel zu langsam, wie er wusste.


Er träumte von der Hühnerkeule,

Drum sucht‘ er Rat bei einer Eule.

Die sagte: „Bleib in deinem Bau!

Sieh deinen Pelz, er wird schon grau,


Und träum von dem, was du gefressen;

Das Jagen solltest du vergessen.

Jetzt hast du für das Träumen Zeit,

Genieße die Behäbigkeit.“


So lebte er dann in den Tag,

Sah nicht mehr auf den Jagdertrag,

Genoss als graues altes Eisen,

Gemütlich seine Eierspeisen.


Dienstag, 30. März 2010

Die Empfindsamen


Bild: Antoine Watteau, Die Serenate, um 1715, (wikicommons.org)

Die Empfindsamen


So mancher Dichter dichtet nur,

Weil ihn der Anblick der Natur

Oft völlig aus der Fassung bringt,

Und er – deshalb – um Worte ringt.


Empfindsam, wie die Dichter sind,

Erschauern sie im Frühlingswind,

Und müssen ein Gedicht verfassen. –

Sie können ´s ja auch sonst nicht lassen.


Montag, 29. März 2010

Ein ganz normaler Trinker


Bild: Albert Anker, Der Trinker, 1873, (wikicommons.org)

Ein ganz normaler Trinker


Hast er vergessen wie sich’s fühlte,

Als er ein kleiner Junge war,

Und dann der Alte an der Bar

Mit siebzehn Bier sein Mütchen kühlte?


Und Mutter dann zu Hause weinte,

„Der Alte hat den Lohn vertrunken“,

Und auch der kranke Opa meinte,

Sie wären alle tief gesunken?


Noch sagt er, „mir passiert das nicht,

Ich habe alles fest im Griff.“

Ihm ist so warm im Kneipenlicht,

Titanic heißt sein sich‘res Schiff.


Er fühlt sich eben pudelwohl,

Wenn er genug zum Saufen hat.

Sein Glück sieht er im Alkohol,

Er isst nichts mehr, ist immer satt.


Kein Mensch ist ihm so richtig nah,

Er hat nur seine Saufkumpane,

Und da macht keiner ein Trara,

Von wegen seiner Dauerfahne.


Drum macht er immer weiter so,

Ist irgendwann im Krankenhaus.

Die Leber war schon längst k.o.,

Erst jetzt ist er sich selbst ein Graus.


Und denkt, „es muss auch ohne gehn,

Mein Leben sollte anders laufen,

Ich habs beim Alten doch gesehn“,

Und hört – erst recht nicht - auf zu saufen.