Tagebuch - nicht nur meiner literarischen Arbeiten

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Samstag, 31. Mai 2008

Tagesaphorismus: Über den Sinn des Lebens


Bild: Charles Mengin, Sappho (vor ihrem Selbstmord).
1877, (zeno.org)

Über den Sinn des Lebens

Gar nicht so wenige Menschen denken nie über den Sinn des Lebens nach. So wie sie sich gerade befinden, sind sie zufrieden oder sie haben weder die Zeit noch die Kraft dazu, weil sie mit Überleben beschäftigt sind.

Andere wissen, dass ihnen da „irgend etwas“ fehlt. Gebannt wie ein Kaninchen sitzen sie in einer Ecke ihrer Existenz, und warten darauf, dass ihnen ein Lebenssinn
zufällt, wie ein Lottogewinn. Das kann die Ursache haben, dass sie sehr träge sind und keine Lust haben sich mit diesem schwierigen Teil ihres Daseins zu befassen. Sollen sie warten!

Noch andere suchen wirklich einen Lebenssinn. Ihr Problem ist oft, dass sie nicht wissen, wie sie diese überaus anstrengende und mühsame Arbeit angehen sollen. Ihnen ist sehr schwer zu raten, da es weder einen allgemein gültigen Weg, noch irgendwelche bewährten Rezepte dazu gibt, mit einer einzigen Ausnahme: der Weg des bewussten Experiments. Experimente aber können auch fehlschlagen.

Die Eintagsfliege


Bild: Carl Spitzweg, Der König und die Fliege,
um 1855, (zeno.org)

Die Eintagsfliege

Lästig ist die Eintagsfliege,
Sie lebt nicht mal einen Tag,
Wenn ich sie zu fassen kriege,
Und sie ärgerlich erschlag.

Doch sie rächt sich noch im Tode
Für ihr schnelleres Verrecken.
Lästig sein hat auch Methode:
Die Tapete hat jetzt Flecken.

Freitag, 30. Mai 2008

Armut und Schande


Bild: Hans Baluschek, Montagmorgen in der Mansarde,
1898, (zeno.org)

„Die herrschende Moral ist die Moral der Herrschenden.“ Karl Marx


Armut und Schande

„Armut ist keine Schande!“,
Heißt es in diesem Lande. -
Sag das den Menschen am Rande!

Sag es der Mutter mit Kindern,
Sag es den Pfandflaschenfindern,
Sag es den Helfern, die lindern.

Wenn du ganz elend verreckst,
Weil du die Armut versteckst,
Und diese Scham in dir wächst,

Dann sag dir doch nicht wieder:
Armut drückt mich nicht nieder,
Armut ist ehrsam und bieder.

Oh, nein!

Armut ist eine Schande,
Immer schon in diesem Lande,
Überall, und besonders am Rande.

Unwichtig und wichtig


Bild: Thomas Heaphy, Stillleben mit Kaninchen und Wildente,
18o6, (zeno.org)

Unwichtig und wichtig

Ach, die treuen Hasenaugen
Haben keinerlei Bedeutung.
Ja, ich glaub auch nicht, sie taugen
Für das Titelblatt der Zeitung.

Wenn die häslichen Karnickel
Friedlich vor sich hin karnickeln,
Steht das nicht im Leitartikel,
Auch wenn neue sich entwickeln.

Doch für Füchse ist das wichtig,
Denn es geht um ihre Nahrung;
Und sie wünschen, „rammelt tüchtig,
Seid recht fleißig bei der Paarung.“

Donnerstag, 29. Mai 2008

Tagesaphorismus


Bild: Schneewittchenspiegel im Schloss zu Lohr, (wikipedia.org)


 

Nur wer die Wahrheit (Wirklichkeit?)  kennt, kann lügen; ansonsten hat man sich einfach geirrt.

An den Zauberlehrling


Bild: Evelyn de Morgan, Der Liebestrank,
1903, (wikicommons.org)

An den Zauberlehrling

Warum zauberst du schon jetzt,
Wenn du es noch gar nicht kannst?
Du bist von der Macht entsetzt,
Die dir auf der Nase tanzt.

Sage keine Widerworte!
Reden zwingt das Wasser nicht.
Du kennst nicht dieselbe Sorte,
Die der Hexenmeister spricht.

Worte sind ´s auch nicht allein,
Dass die Zauber wirksam sind.
Du musst selbst der Zauber sein,
Sonst verfliegt er, wie der Wind.

Teichwasser


Bild: Gustav Klimt, Wasserschlangen (Freundinnen) II,
1904, (zeno.org)

Teichwasser

In die Wasser starr ich lange -
Und dann gaukeln mir die Lichter
Mehr als eine Wasserschlange -
Plötzlich sehe ich Gesichter.

Aus den Märchen kommen Feen,
Nixen, Hexen, andre Geister.
Lass mich lieber weiter gehn,
Denn ich bin ja nicht ihr Meister.

Aus dem Teiche kommt ein Raunen,
In den Wassern kann ich lesen.
Und ich hör nicht auf zu staunen.
Mich betören diese Wesen.

Mittwoch, 28. Mai 2008

Wanderer am Waldrand


Bild: Iwan Iwanowitsch Schischkin,
Blumen an einem Waldrand, (zeno.org)

Wanderer am Waldrand

Aus dem Wald ins wiesenhelle
Weite Land gehn meine Schritte.
Dort im Wald bleibt meine Quelle. -
Ob ich bis zur Tagesmitte
Das Alleinesein vergesse?
Frag ich, wenn ich Schritte messe.

Bin doch gern für mich alleine,
Das ist selten Einsamkeit. -
Müde werden meine Beine,
Auszuruhen wär gescheit,
Aber ich will Lerchen hören,
Will, dass Blumen mich betören.

Dienstag, 27. Mai 2008

Asphaltblume


Bild: Henri de Toulouse-Lautrec,
"Kauft meine schönen Veilchen", 1895, (zeno.org)

Asphaltblume

Dort hab ich sie nicht erwartet,
Wilde kleine Frühlingsblume.
Sonderbar ist sie geartet,
Wächst nicht aus der Ackerkrume,
Nicht auf Wiesen, nicht im Wald,
Sie wächst hier aus dem Asphalt.

Wovon sie sich nur ernährt?
Woher kann sie Wasser kriegen?
Wenn sie einer überfährt,
Wird sie schnell am Boden liegen.
Doch das scheint sie nicht zu stören,
Und sie kann mich auch nicht hören.

Montag, 26. Mai 2008

Jahreszeitenliebe


Bild: Die vier Jahreszeiten,
Holzschneider der Druckerei Estivill aus Barcelona,
zwischen 1860 und 1870 entstanden, (zeno.org)

Jahreszeitenliebe

Da gibt es mindestens vier Jahreszeiten,
In jede war ich schon einmal verliebt,
Und meistens dann, das kann ich nicht bestreiten,
Wenn ´s eine andre Jahreszeit gerade gibt.

Sonntag, 25. Mai 2008

Wortlos


Bild: Johann Heinrich Füssli, Das Schweigen,
1799 bis 1801, (zeno.org)

Wortlos

Ich schweige dir ein Gedicht
Und hoffe du lässt es geschehen.
Dann male ich in dein Gesicht
Und merke: du konntest verstehen. ...

Am Bach


Bild: John Singer Sargent, Der schwarze Bach,
1908, (zeno.org)

Am Bach

Das Wasser plappert auf den Steinen,
Es fragt wohl nach dem Wege,
Und wäscht den großen Stein zum kleinen,
Darum ist es so rege.

Das ist ein munteres Geschwätz,
Und nichts ist ganz alleine.
Bei diesem ewigen Gesetz,
Da reden selbst die Steine.

Samstag, 24. Mai 2008

Ein Wort auf der Flucht


Bild: Aubrey Vincent Beardsley,
Lysistrata hält eine Rede an die Frauen von Athen,
1896, (zeno.org)

Ein Wort auf der Flucht

Manches Wort ist bitterböse,
Weil man sich nicht scheut,
Und es einfach mit Getöse
Unter Menschen streut.

Ach, das Wort kann nichts dafür,
Wenn wir es missbrauchen.
Jetzt klopft es an meine Tür,
Und will untertauchen.

Du fragst welches Wort ich meine,
Willst dich hilfreich zeigen?
Doch wir zwei sind jetzt alleine,
Und wir können schweigen.

Nachts


Bild: Vincent Willem van Gogh, Sternennacht,
1889, (zeno.org)

Nachts

Ich seh vielleicht tausend Sterne,
Und es gibt Millionen.
Alle habe ich sie gerne,
Will auf jedem wohnen.
Mehr als einen kenn ich nicht. -
Von den andern strahlt mir Licht.

Der Traum beim Baum


Bild: Im Stadtpark in Springe, Foto: Anja Müller

Der Traum beim Baum

Ich sprach gerade mit meinem Baum,
Wir plauderten über das Wetter,
Da kam zu uns, er selbst!, der Traum
Und sagte: „Lieber Vetter,
Oft seh ich dich hier unter Bäumen;
Und darf doch selber niemals träumen.“

Der gute Traum, er tat mir leid,
Was konnt ich ihm schon sagen!
Wenn sich der Traum von sich befreit,
Wird er sich nicht ertragen.
„Es soll derTraum sich selber träumen“,
Sprach ich zum Traum - und zu den Bäumen.

Freitag, 23. Mai 2008

Steine werfen


Bild: Anthony Frederick Augustus Sandys,
Maria Magdalena, ca. 1859, (wikicommons.org)

Steine werfen

Aus Steinen, die sie auf uns werfen,
Bauen wir ein neues Haus.
Das wird die Werfer richtig nerven,
Denn es sieht so ganz anders aus,
Als alle Häuser die sie kennen;
Wir werden ´s „Magdalena“ nennen.

Donnerstag, 22. Mai 2008

Die unwürdige Großmutter


Bild: Henri de Toulouse-Lautrec, Salon in der Rue de Moulins,
1894, (zeno.org)

Die unwürdige Großmutter

Sie kämpfte sich von Tag zu Tag
Und schlief nicht in der Nacht.
Das graue Haar ist ihr Ertrag
Und Falten, wenn sie lacht.

Der Enkel kriegt den letzten Cent,
Sie selbst isst trocken Brot.
Und weil sie keine Ruhe kennt,
Vertreibt sie so die Not.

Sie kommt dir vor wie ausgebrannt,
Und ist doch voller Kraft.
Ein Urlaub ist ihr unbekannt,
Weil sie dann weiter schafft. -

Mit sechzig Jahren ist sie jetzt
Allein, und möchte leben.
Und warum schaut ihr so entsetzt,
Anstatt ihr recht zu geben?

Mittwoch, 21. Mai 2008

Alptraum


Bild: Johann Heinrich Füssli, Nachtmahr, 1802, (zeno.org)

Alptraum

Mein Lager hat die Nacht gut überstanden;
Es ist auch kaum zerflettert und verwühlt.
Den Alp hab ich zur Hälfte kaum verstanden,
Drum lächelt auch mein Spiegelbild so unterkühlt.

Da ist so eine ganz bestimmte Ahnung,
Dass das Entsetzen irgendwo da draußen lauert.
Vielleicht war dieser Alp für mich die Mahnung. -
Ich träume weiter, träum so lang es dauert,

Denn meine Träume, die sind frei vom Mahr;
Sie bringen mir den Trost für viele Tage,
Sind zwar nicht wirklich, aber immer wahr,
Und darum stell ich sie auch nicht in Frage.

Dienstag, 20. Mai 2008

Mein Dank ist heimlich


Bild: Joseph Mallord William Turner,
Schatten und Dunkelheit - Der Abend vor der Sintflut, 1843, (zeno.org)

"Es gibt wohl manches, das man annehmen muss, ohne zu Dank verpflichtet zu sein." - Seneca d.J., Von den Wohltaten, 1, 15

Mein Dank ist heimlich

Mein Dank ist meistens unbewegt,
Den werf ihn gerne auf die Straße.
Hol ihn sich, wer vorüber geht,
Bediene sich in vollem Maße.

Wenn ich bewegt bin, dank ich nicht.
Das ist es, was ich niemals lerne.
Ich krieche ganz schnell aus dem Licht -
Und danke heimlich, aus der Ferne.

Montag, 19. Mai 2008

Bank im Regen


Bild: Vincent Willem van Gogh, Parkbank in Saint-Remy,
1889, (wikicommons.org)

Bank im Regen

Die Bank ist leer, so ganz verlassen,
Fast so, als hätt sie heute frei.
Der ganze Park, die nassen Gassen,
Versinkt im Regeneinerlei.

Der Regen tropft ganz leise nieder,
Es ist so still, dass man sich hört.
Die Sonne kommt erst morgen wieder,
Die leere Bank wird nicht gestört.

Sonntag, 18. Mai 2008

Verliebt sein - wissenschaftlich


Bild: Edmund Blair Leighton, Tristand und Isolde, 1902

Verliebt sein - wissenschaftlich

Ständig wirst du schwer getroffen,
Von den fremden Botenstoffen,
Sendest selber welche aus.
Du willst Lyrik und nicht Prosa,
Das was grau ist, siehst du rosa,
Selbst die kleine graue Maus.

Da gibt’s nichts zu diskutieren,
Die Synapsen kollabieren,
Die Transmitter spiel´n verrückt.
Und mit allen Konsequenzen
Torkelst du an deine Grenzen;
Du bist einfach nur verzückt.

Samstag, 17. Mai 2008

Bilder und Lyrik


Bild: Steinzeitliche Höhlenmalerei in Laas Geel, Somalia, (wikicommons.org)

Bilder und Lyrik

Als der erste Fisch vom Schleime
Auf die trockne Erde kroch,
Hatte er noch keine Reime;
Dafür hatte er ein Loch,
Das ganz voller Wasser war,
Und das fand er wunderbar.

Seit die Menschen aufrecht gehen,
Und auch reden, nicht nur grölen,
Wollen sie sich selbst verstehen.
Sie ersannen in den Höhlen
Höhlenbilder und auch Reime;
Da war Lyrik schon im Keime.

Lyrik, Takt, Musik und Bilder,
Die ergänzen sich schon immer.
Dieses wusste selbst ein Wilder,
Der die Bilder für sein Zimmer,
Das ja eine Höhle war,
Malte, und fand ´s wunderbar.

Freitag, 16. Mai 2008

Der Bürokrat und die Hölle


Bild: Heinrich Wilhelm Trübner, Dantes Hölle, 1880, (zeno.org)

Der Bürokrat und die Hölle

Im allergrößten Hexenkessel
Sitzt ganz bestimmt ein Bürokrat,
Freut sich in seinem Schreibtischsessel
Daran, dass er `nen Stempel hat.

Bestimmt sitzt auch am Höllentor
Ein Bürokrat mit einem Stempel.
Im Höllenschlunde heult ´s im Chor,
Er hockt auf seinem Krempel,

Und ärgert sich und andre krumm,
Besteht auf Paragraphen.
Der Teufel wundert sich nur stumm:
Den muss er nicht bestrafen.

Ging auch die ganze Welt in Brüche,
Er stempelt die Genehmigung
Für allerletzte Trauersprüche -
Und stempelt seine Kündigung.

Donnerstag, 15. Mai 2008

Asyl


Bild: Flüchtlinge in Travnik während des Bosnienkrieges 1993, Foto von Mikhail Evstafiev, (wikicommons.org)

Asyl

Wie könnt ihr die Menschenwürde
Denn nur an Papieren messen?
Ihr errichtet eine Hürde
Aus den Sicherheitsint´ressen.

Ihr gewährt wohl, das soll ´s geben,
Ab und zu auch mal Asyl.
Doch dann geht ´s um Leib und Leben,
Niemals um ein Angstgefühl.

Gibt es denn in diesem Lande
Nur noch Schutz fürs Kapital?
Das empfinde ich als Schande
Und gefährlich und fatal.

Macht zum Kanzler dieses Staates,
Ja, ich sag es frei und frank,
Und zum Ziel des Attentates,
Gleich den Chef der Deutschen Bank.

Ergänzung:

Gebt nicht den Bürokraten recht,
Macht ´s euch nicht zu bequem:
Bevor ihr einen Frieden brecht,
Durchbrecht deren System.

Über Kompromisse


Bild: William Hogarth, Der Triumphzug der Abgeordneten,
(aus der Serie: Wahlzyklus),
1754 - 55, (zeno.org)

Über Kompromisse

Was sie nicht begreifen wollen
Ist, dass jeder Kompromiss,
Etwas wegnimmt von dem Vollen,
Und durchs Herz geht, wie ein Riss.

Und zerrissne Herzen irren,
Sind nicht Fleisch und auch nicht Fisch.
Die Probleme zu verwirren,
Schafft sie niemals weg vom Tisch.

Mittwoch, 14. Mai 2008

Warum nicht


Bild: George Bernard Shaw um 1923, (wikicommons.org)

Warum nicht
(frei nach George Bernard Shaw)

Ihr guckt und fragt, „warum?“
Ich träum, frag, „warum nicht?“
So bin ich eben dumm –
Und träume ein Gedicht.

Bücherverbrennung


Bild: Bücherverbrennung am 10. Mai 1933 in Berlin

Bücherverbrennung

Da denke ich an den Bücherbrand
Durchs Volk der Dichter und Denker,
Mein hass-geliebtes Vaterland,
Das Land der Richter und Henker.

Das ist fast achtzig Jahre her;
Es ist ein müdes Gedenken.
Warum fällt ´s unserm Volk so schwer,
Sich selbst sich wieder zu schenken?

Die Dame


Bild: Józef Rippl-Rónai, Dame mit schwarzem Schleier,
1896, (zeno.org)

Die Dame

Dort am Tor – sie sah zurück.
Nie vergess ich diesen Blick.
Er versprach so viel – und nichts,
Wie der Anfang des Gedichts.

Diese Blicke, dort am Tor,
Die sie sandte, nicht verlor. …

Die rote Nelke


Bild: Katsushika Hokusai, Flundern und Nelken, 18./ 19. Jh., (zeno.org)

Die rote Nelke

Warum hast du denn die Blüte
Ohne jeden Sinn gebrochen,
Statt in etwas Herzensgüte
Einfach nur daran gerochen?

Gib es zu! Du dachtest ja,
„Nur für mich sind diese Nelken“,
Und jetzt siehst du was geschah;
Sie sind tot und sie verwelken.

Dienstag, 13. Mai 2008

Vom Plagiat


Bild: Codex Manesse, fol. 383r,
Meister Konrad von Würzburg,
Universitätsbibliothek Heidelberg

Vom Plagiat

Soll man denn mit großer Stärke,
Alle seine eignen Werke,
Vor dem Plagiator schützen? –
Sag mir doch, was kann das nützen?

Da entsteht so nebenbei
Eine kleine Reimerei.
Wenn die einer klauen will,
Schmunzle ich und halte still.

Aber schreib ich ein Gedicht,
Duld ich Plagiate nicht!

Anziehen


Bild: Wilhelm Gause, Ball der Stadt Wien, 1904, (wikipedia.org)

Anziehen

Wenn ich mich mal sorgsam kleide,
Dann wohl kaum in Samt und Seide,
Denn die sind mir alle beide
Viel zu teuer. - Ich vermeide
Ja auch jegliches Geschmeide.

Doch gesteh ich ´s, ich beneide
Oft die Frauen, denn im Kleide
Sind sie eine Augenweide.

Montag, 12. Mai 2008

Überblättern wir . . .


Bild: George Wesley Bellows, Sommerphantasie,
1924, (wikicommons.org)

Überblättern wir …

Sag, was ist denn schon dabei,
Wenn man sich an Sonne freut?
Sicher ist es zwar erst Mai,
Doch das schert uns keinen Deut.

Überblättern wir den Lenz,
Denn der Sommer ist schon da,
Und in unsrer Dekadenz
Wissen wir nicht, wie ´s geschah.

Sonntag, 11. Mai 2008

Dichterpech


Bild: Jean-Honoré Fragonard, Der Dichter,
3. Viertel des 18. Jh., (zeno.org)

Dichterpech

Das Hauptwort, dieses Substantiv,
Das schläft an einem Ort,
Wo auch das Zeitwort lange schlief;
Jetzt nehm ich beide fort.

Ich brauche sie für ein Gedicht,
Mit andern Wörterarten,
Und finde ich ein Wort mal nicht:
Dann ist der Reim missraten.

Die Adjektive sind so stur,
Sie sind nicht gern alleine;
Und nach der letzten Korrektur
Verwend ich lieber keine.

Samstag, 10. Mai 2008

Blauer Himmel


Bild: Kasimir Malewitsch, Suprematismus mit blauem Dreieck und schwarzem Quadrat,
 1915, (wikicommons.org)


Blauer Himmel

Der Himmel ist so schrecklich blau,
Die Wölkchen sind verschwunden,
Und wenn ich lang nach oben schau,
In diesen Musestunden,
Erscheint er mir entsetzlich leer,
Und dann gefällt er mir nicht mehr.

Birkenpollen Frühjahrspest


Bild: Arkady Alexandrovitch Rylov, Im Wald,
1905, (wikicommons.org)

Birkenpollen Frühjahrspest

Heute find ich keine Reime;
Manches Wort steht ganz alleine
In der weiten Frühlingsflur.
Dazu haben noch die Keime
Mich erwischt, und meine Beine
Sind ganz wacklig: Grippe pur. -

Was die Birken-Gräser-Pollen
Wohl von meiner Nase wollen?
Ach, die Augen tränen.
Ganz belegt ist meine Stimme,
Dazu kommt das wirklich schlimme:
Ich muss ständig gähnen.

Freitag, 9. Mai 2008

Die Rose


Bild: Herbert James Draper, Pot Pourie,
1863, (wikicommons.org)

Die Rose

Ich bin jedes Mal entzückt,
Wenn die Lady mich beglückt,
Und ihr Haus mit Rosen schmückt.

Auch die Rose weiß es nicht,
Dass sie schön ist, blüht - und sticht.

Mein Reichtum


Bild: Caspar David Friedrich,
Mann und Frau den Mond betrachtend,
zwischen 1830 und 1835, (zeno.org)

Mein Reichtum

Es spiegelt sich der Mond im Teich,
So golden glänzend - doppelt reich:
Das ist mein großer goldner Schatz,
Nun ist er hier, an meinem Platz.

Mit diesem Schatz will ich nichts kaufen,
Ich lass ihn still im Teich ersaufen. –
Warum sein Tod mich gar nicht stört? -
Ich weiß ja, dass er wiederkehrt.

Donnerstag, 8. Mai 2008

Sinnlose Sorgen


Bild: Hanabusa Itcho,
Blinde Mönche examinieren einen Elephanten, 1888, (wikicommons.org)

Sinnlose Sorgen

Sinne nicht sinnlos.
Sage selbst: sicher sind Sorgen. -
Säumig scheint Sonne.

Sie zetert


Bild: "Mathilde" Heine, Gemälde von E. Palm, um 1860, [Heinrich Heine nannte sein Frau stur Mathilde, da er meinte ihr Name sei für seine "deutsche Zunge nicht aussprechbar". Ihr Geburtsname war Augustine Crescence Mirat. Sie war eine ehemalige Schuhverkäuferin und von Heine wegen ihrer "bösen Zunge" oft gefürchtet.] (wikicommons.org)

Sie zetert

Da such ich immer noch den Grund,
Wenn ich aus ihrem hübschen Mund
So wüste Worte höre.
Sie zählt sich zu den alten Vetteln,
Und ist dabei sich zu verzetteln,
Wobei ich gerne störe:

„Nein, eine Puppe bist du nicht.
Du hast ein reiferes Gesicht,
Bist auch bestimmt viel weiser.“ –
Das hört sie sich sehr skeptisch an,
Doch danach wird sie irgendwann
Viel hübscher – und auch leiser.

Märchenfreiheit


Bild: Taiso Yoshitoshi, Das Netz der Spinne, 1886, (wikicommons.org)

Märchenfreiheit

Märchen, Traum, nicht Zeit
Sind für alle gleich bereit -
Traum und Mär befreit.

Mittwoch, 7. Mai 2008

Klage des Regenwurms


Bild: Carl Spitzweg, Der Angler, um 1850,  (wikicommons.org)

Klage des Regenwurms

Ich sehe nichts. Ich höre nichts.
Ich kann nur etwas riechen,
Bin selten Thema des Gedichts,
Doch dafür kann ich kriechen.

Ich will nicht an die Angelschnur,
Ich will in feuchte Erde.
Doch ihr vermasselt mir die Tour,
Wenn ich zum Köder werde.

Frühlingsstress


Bild: Franciszek Zmurko, Wachlarz i papieros,
1891, (wikicommons.org)

Frühlingsstress

Die Lerchen trillern ihre Lieder,
Und mich erschlägt der Duft von Flieder,
Das bin ich nicht gewohnt.
Die Nachbarin im knappen Mieder
Trägt wieder lila Augenlieder,
Ich werde nicht verschont.

Jedoch das Schwerste an der Zeit,
Das ist die Frühjahrsschläfrigkeit;
Ich bin so furchtbar müde,
Dass es mir allen Antrieb raubt,
Und meine Nachbarin, die glaubt,
Ich wäre etwas prüde.

Dienstag, 6. Mai 2008

Für Georg Trakl


Bild: Georg Trakl im Mai 1914

Für Georg Trakl

Du bist so lilafarben grün,
So dunkelbunt wie schwarzer Flieder.
Du fühltest wie Reseden blühn.
Ich fühle mit, beim Lesen deiner Lieder.

Dein Mut war schwer
Und leicht, wie eine dunkle Feder. –
Ich mag dich sehr,
Und manchmal bist du auch entweder.

Reime - Beim Einkaufen entstanden


Bild: Der Marktplatz in Springe. Foto: Renate Ehlers

Wegwerf-Gesellschaft oder Die verpfuschte Reparatur

Selbst das einfachste Objekt,
Ist mal irgendwann defekt.
Dann will ich es reparieren,
Um ´s nicht gänzlich zu verlieren,
Und bemerk bei dem Objekt,
Dass im Detail der Teufel steckt!

Und so bietet meinem Hirn
Das Objekt mir stur die Stirn.
Ich weiß nicht, wie ´s funktioniert,
Oder wie man ´s repariert.
Und dann werf ich, heimlich, still,
Das Objekt halt auf den Müll.

- - -

Es fehlt noch immer...

Es fehlt noch immer die Geduld,
Und nur für unsre eigne Schuld
Sind wir bereit.
Jetzt, da es wieder Blüten schneit,
Fehlt zwar noch manche Kleinigkeit,
Doch eins zur Zeit!

---
Ohne Kaffee wach ...

Ohne Kaffee wach zu werden,
Fällt am Morgen furchtbar schwer.
Das gilt nicht nur für Behörden,
Wo es selbstverständlich wär,
Dass die Menschen Kaffee trinken,
Ehe sie mit Akten winken.

- - -

Auch wenn es ...

Auch wenn es manchmal lyrisch spricht,
Das Leben selbst ist kein Gedicht.
Es hat ganz eigne Interessen,
Die wir, die Dichter, gern vergessen.
Wie sollte es auch anders sein,
In unserm Turm aus Elfenbein?

Montag, 5. Mai 2008

Erster Kuckucksruf


Bild: Utagawa Kunisada I.,
Der 4. Monat, der erste Kuckucksruf,
das rechte Blatt des Tryptichons, 1854, (zeno.org)

Erster Kuckucksruf

Erster Kuckucksruf,
Innehalten im Alltag,
Einkehr zur Ruhe.

Sagen


Bild: Utagawa Kunisada I., Yoshitsune ben den Tengu (Vogelmenschen, 1856, (zeno.org)

Sagen

Alte Legenden
Singen mir neue Lieder,
Klingen voll Wunder.

Vom Traum


Bild: Katsushika Hokusai, Der Traum der Fischersfrau,
um 1820, (wikicommons.org)


Vom Traum


Die Zwischenräume.
Zimmer voller Gedanken.
Geschenk der Träume.

Die Nachtigall singt


Bildquelle: Naumann,
Naturgeschichte der Vögel Mitteleuropas,
Band I, Tafel 3, Gera 1905

Die Nachtigall singt

Kennst du das Lied der Nachtigall?
Sie singt, ganz gleich, wie ich grad fühle.
Und wo sie singt ist überall,
Auch hier in dieser Frühlingskühle.

Ich friere! Und weiß nicht warum,
Denn draußen ist es nicht zu kalt.
Es ist schon spät, der Vogel stumm.
Die Mutter Erde ist so alt. –

Jetzt singt sie wieder, welch ein Glück!
Noch ist ´s ja mitten in der Nacht,
Doch hat die Nachtigall ein Stück
Von ihrem Trost vorbei gebracht.

Sonntag, 4. Mai 2008

Versuch einer Antwort


Bild: Gustav Klimt, Tod und Leben, 1911, (zeno.org)

Versuch einer Antwort
(für Helmut Maier und Gabriele Brunsch)


Eine Antwort ist nie richtig,
Wenn es eine zweite gibt.
Darum ist sie trotzdem wichtig,
Wenn sie nichts beiseite schiebt.

Kommt die Muse von da drüben,
Wo auch Schlaf und Tod sich finden? –
Ich will weiter suchen, üben,
Ja und nein zusammenbinden. ...

Tandaradei


Bild: Codex Manesse, fol. 124 r,
Herr Walther von der Vogelweide,
(Universitätsbibliothek Heidelberg)

Tandaradei

Der Winter steckt noch in den Gliedern,
Obwohl vorbei, obwohl schon Mai,
Da weckst du dich mit Frühlingsliedern,
Und flüsterst leis – „Tandaradei“.

Du denkst an jenes grüne Gras,
„Wo unser zweier Bette lag“. -
Wo gestern noch die Alte saß;
Jetzt ist sie tot, jetzt ist es Tag.

Rot war der Morgen im April,
Der späte Winter ist vorbei.
Ich les es hier und bin ganz still,
Es flüstert mir – „Tandaradei“.